Sie frisierte sich die Haare und legte ihr Make-up auf. Es musste schnell gehen, denn sie hatte verschlafen. Seltsamerweise hatte ihr Wecker nicht geklingelt, obwohl er neu war. Sie lief vom Schlafzimmer ins Bad, zurück zum Kleiderschrank, dann schnell in die Küche, um einen Happen zu essen. Sie schaffte es gerade, einen Bissen von ihrem Croissant zu nehmen, das beim gestrigen Frühstück übrig geblieben war, da musste sie auch schon los. Sie durfte auf keinen Fall zu spät kommen, denn heute war der Abgabetermin für ihren Artikel. Sie wollte eine erfolgreiche Journalistin werden und hatte sich deshalb bei einer großen Tageszeitung beworben. Sie war zwar schon in die engere Wahl gekommen, trotzdem war die Konkurrenz immer noch sehr groß. Der Artikel würde alles entscheiden.
Sie griff noch schnell ihre Tasche und lief den Flur hinunter zur Haustür. Aber irgendetwas kam ihr seltsam vor, sie hatte ein eigenartiges Gefühl. Der Flur war länger als sonst, und dunkler. „Komisch”, dachte sie, „aber wahrscheinlich bahnt sich draußen ein Unwetter an und es ist deshalb so düster.” Aber als sie die Tür öffnete, verschlug es ihr die Sprache. Draußen war es tatsächlich finster und man konnte den Himmel nicht sehen, aber nicht vor Wolken, sondern vor Bäumen! Sie traute ihren Augen nicht, aus ihrem Vorgarten war über Nacht ein Dschungel geworden. Und wie es schien, galt das auch für die Gärten ihrer Nachbarn. Die ganze Stadt hatte sich in einen Urwald verwandelt. Als sie gerade wieder zurück ins Haus gehen wollte, um zu sich zu kommen, flatterte ein wunderschöner Schmetterling an ihr vorbei und verschwand im dunklen Flur. Sie dachte sich nichts weiter dabei und schloss die Tür, er würde schon wieder hinausfinden.
„Nun kann ich sowieso nicht zur Redaktion fahren”, dachte sie, „Ich komme ja nicht einmal mit dem Auto aus der Garage”. Sie setzte sich an den Küchentisch und aß ihr Croissant zu Ende. Es wäre sinnlos gewesen, es auch nur zu versuchen. Sie hätte ihren Wagen nur zerkratzt, wenn sie sich in den Dschungel begeben hätte. Wahrscheinlich würden weder die Chefs noch die anderen Bewerber erscheinen, dachte sie. Allerdings kamen ihr dann doch Zweifel. Was, wenn die anderen doch erscheinen würden? Dann würde sie den Job auf keinen Fall bekommen und die große Chance wäre verspielt. Sie überlegte, ob sie nicht einfach zu Fuß gehen könnte. Aber in einem Dschungel gibt es Tiere! Zu Fuß gehen wäre da viel zu gefährlich, sie könnte von einem Raubtier angefallen werden. Sie wollte doch lieber daheim bleiben, wo es sicher war. „Aber ich habe ja überhaupt nichts mehr zu essen”, fiel ihr plötzlich ein. Ihr letztes Croissant hatte sie soeben verspeist. Da beschloss sie, es doch zu riskieren. Letzten Endes konnte sie sich nicht ewig im Haus verkriechen. Früher oder später musste sie sich dem Dschungel stellen, wenn sie nicht verhungern wollte. Sie nahm erneut ihre Tasche und öffnete die Tür.
Sie wurde von einem grellen Licht geblendet. Als sie wieder deutlich sehen konnte, fand sie sich in ihrem Pyjama in ihrem Bett liegend wieder. Sie blickte auf die Uhr, es war halb sieben. Sie musste erst um neun in der Redaktion sein. Sie hatte noch genügend Zeit und war erleichtert. Anscheinend hatte sie alles nur geträumt. Doch als sie aufstand und die Tür öffnen wollte, bemerkte sie etwas Seltsames: da war ein wunderschöner Schmetterling an der Tür, derselbe wie in ihrem Traum.
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